FAQ zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
20 Fragen und 20 Antworten zur eAU
Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt! Das wird in der betrieblichen Praxis und auch für mit Lohn- und Gehaltsabrechnungen befasste Steuerbüros zu zahlreichen Änderungen bei den bisherigen praktischen Abläufen führen. Zudem ergeben sich eine ganze Reihe rechtlicher, vor allem arbeitsrechtlicher Fragen, von denen aktuell leider nicht alle mit letzter Sicherheit beantwortet werden können.
Stand: 27. Dezember 2022
Frage 1: Wofür steht die Abkürzung „eAU“
Das ist die Abkürzung für die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, eben kurz eAU.
Frage 2: Ab wann gilt die eAU?
Die Regeln für die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gelten ab 01.01.2023. Streng genommen gab es die eAU auch schon vorher siehe auch nachfolgend Frage 7). Ab Januar 2023 ist aber die gewissermaßen „letzte Ausbaustufe“ der eAU erreicht.
Frage 3: Wofür steht das Wort „elektronisch“?
Ab 01.01.2023 wird der bisher übliche „gelbe Schein“, den der Arbeitnehmer durch den die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausfüllenden Arzt, Zahnarzt usw. für den Arbeitgeber bekam, durch eine digital übermittelte Information des Arztes, Zahnarztes usw. an die Krankenkasse ersetzt. Damit entfällt auch die analoge Übersendung des „gelben Scheins“ an die Krankenkasse durch den jeweils betroffenen Arbeitnehmer.
Frage 4: Wird auch die Krankmeldung elektronisch bzw. digital?
Das liest man immer wieder. Das ist aber so nicht richtig. Unter der Krankmeldung im eigentlichen Sinne versteht man die Information des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer darüber, dass er, der Arbeitnehmer, arbeitsunfähig erkrankt ist oder sich zumindest so fühlt. Die dazu bislang geltenden Regeln bleiben unverändert!
In § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz wird vom Arbeitnehmer eine „unverzügliche“ Mitteilung des Arbeitgebers über die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer verlangt. Einzelheiten hängen naturgemäß davon ab, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Unterrichtung des Arbeitgebers bereits einen Arzt aufgesucht hat oder nicht. Eine bestimmte Form der Information (z.B. telefonisch, per SMS oder Ähnliches) ist gesetzlich nicht vorgegeben. Eine briefliche Anzeige wird regelmäßig dem Unverzüglichkeitsgebot (§ 121 BGB) nicht ausreichend Rechnung tragen. Daran wird sich auch ab 01.01.2023 nichts ändern.
Frage 5: Gibt es auch Fälle, in denen die bislang maßgebliche Vorlagepflicht („gelber Schein“) beibehalten wird?
Ja! Die Vorlagepflicht bleibt bestehen, soweit die elektronische Meldung nach § 109 SGB IV nicht greift. § 109 SGB IV wird ab 01.01.2023 voraussichtlich lauten (zu weiteren Ausnahmen bzw. Fragen zu Ausnahmen siehe auch die nachfolgend beantworteten Fragen):
„§ 109 Meldung der Arbeitsunfähigkeits- und Vorerkrankungszeiten an den Arbeitgeber
(1) Die Krankenkasse hat nach Eingang der Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Fünften Buches eine Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber zu erstellen, die insbesondere die folgenden Daten enthält:
- den Namen des Beschäftigten,
- den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit,
- das Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit,
- die Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung und
- die Angabe, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Arbeitsunfähigkeit auf einem Arbeitsunfall oder sonstigen Unfall oder auf den Folgen eines Arbeitsunfalls oder sonstigen Unfalls beruht.
In den Fällen, in denen die Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Fünften Buches für einen geringfügig beschäftigten Versicherten erhält, hat sie die Daten nach Satz 1 für die nach § 2 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes über den Ausgleich der Arbeitgeberzuwendungen für Entgeltfortzahlung zuständige Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See ausschließlich für die Zwecke des Erstattungsverfahrens nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz zum Abruf bereitzustellen. Arbeitgeber haben die Daten nach Satz 1 in den nach Satz 2 genannten Fällen bei der zuständigen Krankenkasse durch ein nach § 95b systemgeprüftes Programm oder eine Ausfüllhilfe abzurufen. Beauftragt der Arbeitgeber einen Dritten mit dem Abruf, darf dieser die Daten verarbeiten. Unberührt bleibt die Verpflichtung des behandelnden Arztes, dem Versicherten eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit nach § 73 Absatz 2 Satz 1 Nummer 9 des Fünften Buches in Verbindung mit § 5 Absatz 1a Satz 2 des Entgeltfortzahlungsgesetzes auszuhändigen.
(2) Stellt die Krankenkasse auf Grundlage der Angaben zur Diagnose in den Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Fünften Buches und auf Grundlage von weiteren ihr vorliegenden Daten fest, dass die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wegen anrechenbarer Vorerkrankungszeiten für einen Arbeitgeber ausläuft, so übermittelt sie dem betroffenen Arbeitgeber eine Meldung mit den Angaben über die für ihn relevanten Vorerkrankungszeiten. Satz 1 gilt nicht für geringfügig Beschäftigte.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Beschäftigte nach den §§ 8a und 12.
(3a) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend bei Eingang der Daten nach § 301 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 7 des Fünften Buches mit der Maßgabe, dass die Meldung abweichend von Absatz 1 Satz 1 nur die Daten nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und den Beginn, die voraussichtliche Dauer und das Ende des stationären Krankenhausaufenthaltes zu enthalten hat. Für die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten von den Krankenhäusern an die Krankenkassen werden die Dienste der Telematikinfrastruktur nach dem Fünften Buch genutzt, sobald diese zur Verfügung stehen.
(4) Das Nähere zu den Datensätzen und zum Verfahren regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in Grundsätzen. Die Grundsätze bedürfen der Genehmigung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft; die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände ist vor der Genehmigung anzuhören.“
Frage 6: Gilt die eAU auch für eine geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten?
Nein, siehe dazu § 109 Abs. 3 SGB IV (Frage 5).
Frage 7: Sind AU-Bescheinigungen nicht bislang auch schon digital an die Krankenkassen übermittelt worden?
Ja, es gibt schon seit einiger Zeit eine Pilotphase. Diese hat gezeigt, dass augenblicklich noch mit größeren technischen Schwierigkeiten gekämpft wird.
Frage 8: Aus drei Belegen über eine AU wird nur noch ein Beleg – was heißt das jetzt ganz konkret im Zusammenhang mit der eAU?
Bislang gab es drei Belege:
- Einen für den Arbeitnehmer selbst,
- einen für den Arbeitgeber (den der Arbeitnehmer dort abzugeben hatte) und schließlich
- einen für die Krankenkasse des Arbeitnehmers (den der Arbeitnehmer an eben diese Krankenkasse zu übermitteln hatte).
Nunmehr wird es für den Arbeitnehmer lediglich einen Beleg für seine eigenen Unterlagen geben. Die beiden anderen Dokumente entfallen in der Regel bzw. werden durch elektronische Nachrichten ersetzt.
Frage 9: Was bedeutet die eAU ganz praktisch für betroffene Arbeitgeber?
Es ergibt sich ein „Dreiklang“:
Punkt 1: Der Arbeitnehmer informiert seinen Arbeitgeber (unverändert) unverzüglich über die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit.
Punkt 2: Der die AU ausstellende Arzt, Zahnarzt usw. meldet die AU der betreffenden Krankenkasse auf elektronischem Weg.
Punkt 3: Der Arbeitgeber (oder ggf. auch das für ihn tätige Steuerbüro) ruft die Daten bei der zuständigen Krankenkasse ab.
Frage 10: Gilt das eben unter Frage 9 Geschilderte auch für die geringfügig Beschäftigte?
Ja, mit der bereits beschriebenen Ausnahme für die in Privathaushalten Tätigen (siehe oben Frage 6).
Frage 11: Was gilt für Arbeitnehmer, die nicht gesetzlich, sondern privat versichert sind?
Hier bleibt einstweilen alles so, wie es bislang auch schon war! Angeblich plant der Verband der privaten Krankenversicherungen eine Angleichung der Regelungen für privat versicherte Arbeitnehmer an die Regeln, die für die gesetzlich Versicherten ab 01.01.2023 maßgeblich sind. Hier ist aber noch nichts verbindlich festgelegt.
Frage 12: Ändert sich durch die eAU etwas an den zu Lasten des Arbeitnehmers geltenden Nachweispflichten hinsichtlich des Vorliegens einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit?
Nein!
Frage 13: Wie verhält es sich mit dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Krankengeld im Zusammenhang mit der eAU?
Hier gelten keine Besonderheiten. Zu Problemen wird es aber kommen, wenn die Datenübermittlung nicht korrekt funktioniert. Das Risiko dürfte steigen, wenn mehrere Ärzte, Zahnärzte usw. zeitlich gestaffelt Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen und elektronisch übermitteln.
Frage 14: Was passiert, wenn eine Krankheit länger als drei Tage andauert?
Hier ändert sich an den dargestellten Regeln nichts! Arbeitnehmer sind auch zukünftig verpflichtet, eine Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen, wenn einer der drei nachfolgend geschilderten Fälle vorliegt:
Fall 1: Die Krankheit bzw. AU dauert länger als drei Tage.
Fall 2: Der Arbeitgeber fordert vor Ablauf der drei Tage einen entsprechenden Nachweis der AU.
Fall 3: Die durch Krankheit ausgelöste AU dauert länger an, als es der bis dahin maßgeblichen Feststellung des Arztes, Zahnarztes usw. zu entnehmen war.
Frage 15: Was gilt für Arbeitsunfälle?
Nichts Besonderes! Die Daten werden in diesem Fall durch die Krankenkasse an die zuständige Berufsgenossenschaft übermittelt. Siehe im Übrigen auch § 109 Abs. 1 Nr. 5 SGB IV (dazu oben Frage 5).
Frage 16: Wie erhält das Lohnbüro bzw. Steuerbüro die notwendigen Daten?
Das kann dadurch geschehen, dass der Arbeitgeber das Lohn- bzw. Steuerbüro entsprechend beauftragt. In aller Regel muss das geschehen, weil das Büro sonst keine korrekte Abrechnung des Arbeitsentgelts vornehmen kann.
Frage 17: Sind alle Arztpraxen, Zahnarztpraxen in die eAU eingebunden?
Nein! Das Geschilderte gilt nur für sog. Kassenärzte bzw. Kassenzahnärzte, nicht für solche Leistungserbringer, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Hier bleibt alles unverändert.
Frage 18: Dürfen Arbeitgeber vom Arbeitnehmer eine Kopie des dem Arbeitnehmer vom ausstellenden Arzt, Zahnarzt überreichten „gelben Scheins“ verlangen?
Wahrscheinlich nicht. Das ist eine allerdings aktuell nicht abschließend geklärte Frage.
Frage 19: Gibt es für betroffene Arbeitgeber eine Übergangslösung?
Nein!
Frage 20: Führt die eAU zum Bürokratieabbau?
Das ist eine Frage, die nur dann , wer durch die eAU betroffen ist. Für Arbeitnehmer ist ein Bürokratieabbau erkennbar, für die Arbeitgeberseite eher nicht.
Quelle: FAQ zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – ETL Rechtsanwälte (etl-rechtsanwaelte.de)
Inflationsausgleichsprämie – 27 Fragen und 27 Antworten
Ab dem 26.10.2022 können Arbeitgeber ihren Beschäftigten steuer- und abgabenfrei einen Geldbetrag von bis zu 3.000,00 Euro gewähren. Das ist die sogenannte Inflationsausgleichsprämie. Nachfolgend 27 Fragen und 27 Antworten zu dieser Prämie.
Stand des Beitrags: 12. Dezember 2022
- Bis wann kann die Inflationsausgleichsprämie gezahlt werden?
Der Begünstigungszeitraum für die Inflationsausgleichsprämie ist bis zum 31.12.2024 befristet. Bis dahin sind Zahlungen des Arbeitgebers auf die Prämie möglich, grundsätzlich steuer- und abgabenfrei. Es gilt das sog. Zuflussprinzip (ebenso Hick in DB 2022, 2766).
- Zahlt der Staat einen Zuschuss zur Inflationsausgleichsprämie?
Streng genommen ist das nicht der Fall. Allerdings sind die Zahlungen der Arbeitgeber bis zu einem Betrag von 3.000,00 Euro steuer- und sozialversicherungsabgabenfrei. Insofern „bezuschusst“ der Staat die Prämie durchaus.
- Muss die Inflationsausgleichsprämie in einer Summe gezahlt werden?
Nein, der Betrag von 3.000,00 Euro kann beliebig gestückelt, d.h. ohne weiteres in mehreren Teilbeträgen gezahlt werden. So kann der Arbeitgeber beispielsweise monatlich 200,00 Euro bis zur Höchstgrenze von 3.000,00 Euro zahlen. Im Beispielsfall wären das 15 Teilbeträge (15 x 200 = 3.000).
- Steht Arbeitnehmern ein Anspruch auf die Inflationsausgleichsprämie zu?
Nein, das ist nicht der Fall. Es handelt sich in um eine freiwillige Zahlung des Arbeitgebers. Ein rechtlicher Anspruch des Arbeitnehmers auf die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie besteht grundsätzlich nicht. Das kann aber unter dem Gesichtspunkt des sog. Gleichbehandlungsgrundsatzes anders sein (siehe dazu nachfolgend Frage 5).
- Muss der Arbeitgeber allen seinen Mitarbeitern die Inflationsausgleichsprämie in gleicher Höhe zahlen?
Nein, das muss der Arbeitgeber nicht. Lediglich im Rahmen des sog. Gleichbehandlungsgrundsatzes ist das anders. Das hat zur Folge, dass der Arbeitgeber aus sachlichem Grund eine unterschiedlich hohe Zahlung, ggf. bei einigen Arbeitnehmern auch gar keine Prämie leisten darf. So kann der Arbeitgeber insbesondere nach der Einkommenshöhe des jeweiligen Arbeitnehmers unterscheiden und nur Arbeitnehmern bis zu einem bestimmten Einkommen die Prämie gewähren, den anderen Arbeitnehmern hingegen nicht.
Schwieriger wird das, wenn der Arbeitgeber nach Kriterien unterscheidet, die zwar grundsätzlich geeignet sein können, eine unterschiedliche Behandlung einzelner Arbeitnehmer zu rechtfertigen, so zum Beispiel eine Staffelung nach den durch den jeweiligen Arbeitnehmer erzielten Arbeitsergebnissen. Hier fragt sich, ob damit auch eine unterschiedlich hohe Zahlung der Inflationsausgleichsprämie sachlich gerechtfertigt werden kann. Das erscheint zweifelhaft, denn bei der steuer- und abgabenfreien Prämie geht es ja in erster Linie – wie der Name der Prämie dies anzeigt – um einen Ausgleich für inflationsbedingt gestiegene Lebenshaltungskosten.
- Wie sollte der Arbeitgeber im Rahmen der Entgeltabrechnung klarstellen, dass er die Inflationsausgleichsprämie zahlen möchte bzw. zahlt?
Es genügt, wenn der Arbeitgeber bei Gewährung der Prämie deutlich macht, dass diese Zahlung im Zusammenhang mit der Preissteigerung steht, so zum Beispiel durch einen entsprechenden Hinweis im Rahmen der Lohnabrechnung.
- Kann die Inflationsausgleichsprämie auch an Auszubildende gezahlt werden?
Ja, das ist möglich.
- Kann die Inflationsausgleichsprämie auch an geringfügig Beschäftigte (Minijobber), arbeitende Rentner und Werkstudenten gezahlt werden?
Ja, das ist möglich.
- Sind auch mitarbeitende Familienangehörige (z. B. Ehemann oder Ehefrau) mögliche Begünstigte der Prämie?
Ja, hier ist aber ganz besonders auf die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (siehe oben Frage 5) zu achten!
- Kann die Inflationsausgleichsprämie als Sachleistung gewährt werden?
Ja, das ist aufgrund des Wortlauts von § 3 Nr. 11 c) EStG ein möglicher Fall der Gewährung der Inflationsausgleichsprämie. So kann der Arbeitsgeber dem Arbeitnehmer beispielsweise einen bzw. mehrere Warengutscheine bis zu einem Gesamtbetrag in Höhe von 3.000,00 Euro öhe zukommen lassen. Das kann sich beispielsweise bei solchen Arbeitnehmern empfehlen, die aktuell ein negativen Saldo ihres Bankkontos aufweisen.
- Darf die Inflationsausgleichsprämie an die Stelle einer anderen, durch den Arbeitgeber geschuldeten Leistung treten?
Nein, das darf unter keinen Umständen passieren. Die Zahlung muss als zusätzliche Leistung anzusehen sein und sollte in der Entgeltabrechnung (siehe dazu oben Frage 6) auch als solche bezeichnet werden. Die Prämie darf beispielsweise nicht an die Stelle eines an sich geschuldeten Weihnachtsgeldes, 13. Gehalts oder eines Urlaubsgeldes gezahlt werden.
Problematisch dürften vor allem die Fälle werden, in denen der Arbeitgeber ein 13. Gehalt oder auch ein Weihnachtsgeld bislang als „freiwillige Arbeitgeberleistung“ deklariert hat. Hier ist sehr sorgfältig zu prüfen, ob tatsächlich kein Anspruch des Arbeitnehmers auf derartige Arbeitgeberleistungen besteht. Sollte das der Fall sein, darf die Inflationsausgleichsprämie nicht an deren Stelle treten! In vielen Fällen wird in diesem Zusammenhang noch einmal ein Blick in Arbeitsverträge und ggf. auch Tarifverträge lohnen.
Siehe auch § 8 Abs. 4 EStG sowie noch einmal nachfolgend Frage 12 sowie Frage 27.
- 8 Abs. 4 EStG lautet:
„Im Sinne dieses Gesetzes werden Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn
- die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
- der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
- die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
- bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht
wird. Unter den Voraussetzungen des Satzes 1 ist von einer zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachten Leistung auch dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich oder auf Grund einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage (wie Einzelvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag, Gesetz) einen Anspruch auf diese hat.“
- Was gilt mit Blick auf Frage 11. hinsichtlich der in der Vergangenheit durch den Arbeitgeber etwaig gewährten „freiwilligen“ Leistungen und dem Rechtsinstitut der betrieblichen Übung?
Jetzt wird es schwierig. Die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie muss durch den Arbeitgeber „on top“ geleistet werden und darf – wie ausgeführt (siehe dazu Frage 11) – kein ohnehin geschuldetes Arbeitsentgelt ersetzen. Es ist also zu fragen, in welchem Umfang der Arbeitnehmer einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Gewährung einer bestimmten Zahlung besitzt. In diesem Zusammenhang ist auch an das arbeitsrechtlich bedeutsame Rechtsinstitut der betrieblichen Übung zu achten. Alles das, was Gegenstand einer betrieblichen Übung zugunsten des Arbeitnehmers geworden ist, kann nicht durch die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie ersetzt werden. Hat ein Arbeitgeber beispielsweise ohne ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag vorbehaltlos über viele Jahre hinweg ein 13. Gehalt gezahlt, kann die Inflationsausgleichsprämie nunmehr nicht an dessen Stelle treten. Gleiches gilt natürlich im Hinblick auf etwaig durch den Arbeitgeber gewährte Sachleistungen.
- Wer kontrolliert eigentlich die ordnungsgemäße Gewährung der Inflationsausgleichsprämie?
Hier kommen zahlreiche Stellen in Betracht. Neben der Finanzverwaltung werden mit Sicherheit die Prüfer im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Sozialversicherungsprüfungen genau hinschauen, insbesondere darauf, dass die Zahlung „on top“ gewährt wurde.
- Darf der Arbeitgeber mit der Inflationsausgleichsprämie werben und so versuchen, Mitarbeiter aus einem anderen Unternehmen zu gewinnen?
Ja, das dürfte in der Regel gestattet sein. Der Umstand, dass es sich um eine „Wechselprämie“ handelt, wird der Anerkennung als Inflationsausgleichsprämie vermutlich nicht entgegenstehen.
- Kann ein Arbeitnehmer die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie mehrfach erhalten?
Ja, das ist denkbar. Wenn beispielsweise ein Arbeitnehmer im Jahr 2023 seinen Arbeitgeber wechselt, kann er sowohl von seinem „alten“ wie auch von seinem „neuen“ Arbeitgeber die Prämie gezahlt bekommen. Siehe auch nachfolgend Frage 17.
- Können der sog. Corona-Pflegebonus und die Inflationsausgleichsprämie miteinander kombiniert werden?
Vermutlich ja. Pflegebonus und Inflationsausgleichsprämie verfolgen unterschiedliche Ziele. Das würde zu einem Gesamtbetrag von 7.500,00 Euro führen.
- Kann die Inflationsausgleichsprämie bei mehreren Arbeitgebern auch mehrfach gezahlt werden?
Siehe dazu schon oben Frage 15.
Die Prämie kann für jedes Arbeitsverhältnis gezahlt werden. Hat ein Arbeitnehmer mehrere Arbeitgeber, kann die Inflationsausgleichsprämie im Rahmen eines jeden Arbeitsverhältnisses gewährt werden. Das ist dann anders, wenn der Arbeitnehmer bei demselben Arbeitgeber mehrere Arbeitsverhältnisse ausgeübt hat, so etwa im Frühjahr und im Herbst 2023 im Rahmen einer sog. Saisonbeschäftigung.
- Was gilt für die Inflationsausgleichsprämie bei GmbH-Geschäftsführern?
Diese können die Prämie vermutlich ebenfalls erhalten. Es dürfte aber zu unterscheiden sein:
- Ist der GmbH-Geschäftsführer „reiner“ Fremdgeschäftsführer kann die Prämie grundsätzlich problemlos gezahlt werden.
- Ist der GmbH-Geschäftsführer zugleich Gesellschafter der GmbH, muss die Zahlung einem sog. „Fremdvergleich“ standhalten. Ansonsten droht eine verdeckte Gewinnausschüttung.
- Was gilt für die Inflationsausgleichsprämie bei einem Betriebsübergang (§ 613a BGB)?
Bei einem Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB bleibt das Arbeitsverhältnis als solches bestehen, es geht vom Abgeber auf den Erwerber über (siehe vor allem § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB). Das bedeutet: Der Arbeitnehmer kann die Prämie bis zur Maximalhöhe von 3.000,00 Euro nur einmal erhalten, egal, ob der Betrag ganz oder teilweise vom Abgeber und/oder vom Erwerber gezahlt wird.
- Ist die Inflationsausgleichsprämie pfändbar?
Das ist eine aktuell ungeklärte Frage. Es spricht einiges dafür, dass die Prämie pfändbar ist. Das Gesetz beantwortet die Frage jedoch leider nicht.
Auch unter praktischen Gesichtspunkten könnte einiges dafür sprechen, die etwaig gezahlte Prämie an den pfändenden Gläubiger auszubezahlen: Sollte die Prämie – entgegen der hier geäußerten Annahme – doch unpfändbar sein, bekommt man das Geld vom Gläubiger eher zurückgezahlt als von dem durch die Pfändung betroffenen Arbeitnehmer.
- Wo ist die Inflationsausgleichsprämie eigentlich gesetzlich geregelt?
Die Inflationsausgleichsprämie ist in § 3 Nr. 11 c) EStG gesetzlich geregelt.
- Kann auch eine Konzernobergesellschaft an Mitarbeiter einer Tochtergesellschaft eine Inflationsausgleichsprämie zahlen?
Nein, ein sog. Konzernprivileg sieht das Gesetz nicht vor (ebenso Hick in DB 2022, 2766).
- Darf die Inflationsausgleichsprämie auch an Arbeitnehmer gezahlt werden, die sich zum Zeitpunkt der Zahlung in Kurzarbeit befinden?
Ja.
- Darf die Inflationsausgleichsprämie auch an Arbeitnehmer gezahlt werden, die sich in Elternzeit befinden?
Vermutlich ja, denn auch hier besteht ein Arbeitsverhältnis.
Eine andere Frage ist die, ob jemand, der sich in Elternzeit befindet, die Prämie in gleich Höhe bzw. überhaupt bekommen muss, wenn alle anderen Arbeitnehmer die Prämie in einer bestimmten Höhe erhalten haben. Hier stellt sich wiederum die Frage nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz.
- Darf die Inflationsausgleichsprämie an Arbeitnehmer gezahlt werden, die nachgewiesenermaßen keinen finanziellen Bedarf haben?
Ja.
- Kann die Inflationsausgleichsprämie auch als „Treueprämie“ gezahlt werden?
Sollte der Arbeitgeber die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie damit verbinden, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis nicht von sich aus innerhalb einer bestimmten Frist kündigt, dürfte das rechtlich nicht wirksam sein. Die Inflationsausgleichsprämie verfolgt ein ganz anderes Ziel als die Betriebstreue. Im Gegenteil: Sollte der Arbeitgeber die Prämie explizit mit diesem Ziel an den Arbeitnehmer ausbezahlen und sich eine Rückforderung vorbehalten, könnte es durchaus passieren, dass die Zahlung steuer- und abgabenpflichtig wird!
Selbst wenn Vorstehendes nicht richtig sein sollte, kann ein Festhalten des Arbeitnehmers an einem Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber ganz allgemein nur sehr eingeschränkt wirksam verlangt werden. Das Thema ist im Zusammenhang mit der Gewährung eines Weihnachtsgeldes und einem korrespondierenden Betriebstreueversprechen bekannt. Eine Bindung, die das gesamte Jahr 2023 oder gar darüber hinaus umfassen soll, ist angesichts eines Geldbetrages von „nur“ 3.000,00 EUR grundsätzlich rechtlich nicht möglich.
- Kann die Inflationsausgleichsprämie eine Gehaltserhöhung ersetzen?
Faktisch ja, rechtlich nein. Schuldet der Arbeitgeber eine Gehaltsanpassung nach oben (etwa wegen einer den Arbeitgeber bindenden Tariflohnerhöhung), kann die Inflationsausgleichsprämie die Gehaltserhöhung nicht ersetzen. Eine vom Arbeitgeber nicht geschuldete Gehaltserhöhung kann natürlich durch die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie „faktisch“ ersetzt werden. Es darf dann aber keinerlei Hinweise darauf geben, dass die Prämie (temporär) an die Stelle einer Gehaltserhöhung getreten ist.
Siehe dazu auch schon oben Frage 11 sowie der dortige Hinweis auf § 8 Abs. 4 EStG
Quelle: Inflationsausgleichsprämie – 27 Fragen und 27 Antworten – ETL Rechtsanwälte (etl-rechtsanwaelte.de)